Deutschland befindet sich mitten in einer großen Modernisierung seiner Volkswirtschaft. Die nächsten Jahre sind eine Zeit der Veränderungen für die Unternehmen in Deutschland: Mit der schnellen klimafreundlichen Umstellung der Energieerzeugung, der Mobilität und der Industrieproduktion, mit geoökonomischen Veränderungen im Außenhandel, einem schneller werdenden demografischen Wandel und der Digitalisierung.
Eine grundlegende Modernisierung ist laut Bundeskanzler Olaf Scholz der beste Weg, Deutschland wirtschaftlich und gesellschaftlich stärker und resilienter zu machen. Zugleich stehe Deutschland vor teils altbekannten, teils neuen Strukturproblemen: Ein Übermaß an Bürokratie mit viel zu langsamen Planungs- und Genehmigungsprozessen, mit einem immer weiter um sich greifender Fachkräftemangel, mit Rückständen bei der Digitalisierung und einer verschleppten Energiewende. Scholz: „Deutschland braucht Impulse, um Wirtschaft und Wachstum zu stärken. Die aktuelle Abkühlung der Konjunktur darf nicht dazu führen, dass langfristige Zukunftsinvestitionen von Unternehmen gehemmt werden oder der Wohnungsbau noch weiter zurückgeht. Entscheidend für den Standort Deutschland und die Arbeitsplätze ist die Frage, wie Wettbewerbsfähigkeit und Produktivitätssteigerungen im Zuge des Umbaus zu einem klimaneutralen und digitalen Land erhöht werden können.“
Agenda nach Meseberg vorgestellt
Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung jetzt einen 10-Punkte-Plan aufgestellt und nach der Kabinettsklausur in Meseberg vorgestellt. Und das sind dessen Bausteine:
- Wachstumschancen-Gesetz
Das Wachstumschancen-Gesetz soll Anreize für Investitionen und Innovationen in Mittelstand und Klima schaffen. Vorgesehen ist gewinnunabhängige steuerliche Investitionszulage für Klimaschutz-Investitionen zur Steigerung der Energieeffizienz. Sie soll 15 Prozent der begünstigten Aufwendungen des Unternehmens betragen. Als Maßnahme zur Verbesserung der Liquidität, insbesondere des Mittelstandes, soll die Verrechnungsgrenze für Verlustvorträge von derzeit 60 Prozent auf 80 Prozent für vier Jahre angehoben werden. Auch verbesserte Abschreibungsbedingungen sollen die Liquidität von Unternehmen stärken. Zudem soll – zeitlich befristet – die Möglichkeit einer degressiven Abschreibung für sogenannte bewegliche Wirtschaftsgüter eingeführt werden, die ab dem 1. Oktober 2023 angeschafft oder hergestellt worden sind. Damit sollen Abschreibungsregeln für nahezu alle Betriebe erleichtert und somit private Investitionen zusätzlich angereizt werden.
Darüber hinaus soll die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung verbessert werden: der förderfähige Anteil der Kosten bei einer Auftragsforschung soll von 60 auf 70 Prozent steigen und der maximale Förderbetrag der Zulage soll von einer auf drei Millionen Euro steigen. Das Steuersystem soll außerdem an vielen Stellen vereinfacht und bürokratische Hemmnisse abgebaut werden. Die Maßnahmen sollen eine steuerliche Entlastung von Kleinen und Mittleren Unternehmen in Höhe von rund sieben Milliarden Euro pro Jahr entfalten – damit Unternehmen ermutigt werden, in moderne Anlagen und den Standort Deutschland zu investieren. Insgesamt liegt das Entlastungsvolumen des Wachstumschancen-Gesetzes bei über 32 Milliarden Euro.
Durch die stark gestiegenen Zinsen wurden viele Bauvorhaben erheblich teurer. Manche Regulierung trägt zu weiteren Kostensteigerungen bei. Deshalb sollen erleichterte Abschreibungsregelungen für den Wohnungsbau in Form einer degressiven Absetzung für Abnutzung (AfA) geschaffen werden – durch die Einführung einer degressiven AfA für Wohngebäude mit sechs Prozent ab Baubeginn 1. Oktober 2023 (befristet auf sechs Jahre). Die Regel soll ab Baubeginn gelten – also auch für Bauvorhaben, für die bereits eine Baugenehmigung vorliegt, die aber noch nicht begonnen wurden. Dies ist Teil eines Maßnahmenpakets der Bundesregierung, welches diese bis Ende September vorlegen und Maßnahmen zum Abbau regulatorischer und bürokratischer Hürden enthalten wird.
- Zukunftsfinanzierungsgesetz
Deutschland soll Gründerland werden. Neben den bestehenden Industrien, dem Handwerk und starkem Mittelstand sowie dem Dienstleistungssektor gehören innovative Gründerinnen und Gründer mit ihren Start-Ups zu einer erfolgreichen deutschen Wirtschaft. Sie benötigen einen starken Finanzplatz mit attraktiven Rahmenbedingungen für den Finanzsektor und Möglichkeiten, privates Kapital zu mobilisieren. Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz wird ein Impuls für einen attraktiveren Kapitalmarkt gesetzt. Deutschland hat Luft nach oben bei der kapitalmarkt- und wagniskapitalbasierten Finanzierung. Enger verbundene Kapitalmärkte bringen Innovation und Wachstum durch die Mobilisierung privaten Kapitals. Jetzt werden bessere Rahmenbedingungen für Start-Ups und Wachstumsunternehmen geschaffen, um den Gang an die Börse in Deutschland attraktiv zu machen sowie im globalen Wettbewerb um Talente erfolgreich zu sein. Mit einer Vielzahl von Maßnahmen werden Hürden für den Kapitalmarktzugang abgebaut. Das Gesetz wird zu einer Unterstützung der Unternehmen in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr beitragen.
- Klima- und Transformationsfonds
Das größte Instrument der Bundesregierung zur Unterstützung der Modernisierung der Wirtschaft und für gezielte Investitionen in den Klimaschutz im Bereich Gebäude und Verkehr ist der Klima- und Transformationsfonds. Mit diesem Fonds stehen in den nächsten Jahren 211 Milliarden Euro für entsprechende Maßnahmen zur Verfügung. Die höchsten Summen entfallen dabei auf die Gebäudesanierung, die Dekarbonisierung der Industrie (u.a. durch das neue Instrument der Klimaschutzverträge), die Förderung von klimaneutraler Mobilität sowie der Halbleiterproduktion und den Aufbau der Wasserstoffindustrie. Allein im Jahr 2024 stehen so 58 Milliarden Euro zur Verfügung. Hinzu kommen Investitionen in Höhe von 54 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt für die Erneuerung von Schienen, für bessere Straßen und neue Brücken, ein flächendeckendes Ladesäulennetz für E-Autos, Glasfaserleitungen für schnelles Internet, den Hochlauf des in der Zukunft benötigten klimaneutralen Wasserstoffs und vieles mehr.
- Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen
Die Bundesregierung wird die Planungs- und Genehmigungsverfahren weiter beschleunigen. Die „Deutschland-Geschwindigkeit“ soll überall gelten. Mit den 16 Ländern ist ein „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ in Arbeit. Meterlange Aktenberge bei Anträgen für Windräder, Verkehrs- und Stromnetze sowie Industrieanlagen sollen der Vergangenheit angehören. Die Antrags- und Genehmigungsverfahren sollen zunehmend digitalisiert werden und Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen.
- Bürokratie abbauen
In Deutschland ist über die Jahrzehnte ein regelrechtes Bürokratie-Dickicht entstanden, das nur noch schwer zu durchdringen ist. Mittlerweile ist dies ein echtes Investitionshemmnis, gerade für den Mittelstand. Die Verwaltung in Deutschland soll den Unternehmen als Partner zur Seite stehen. Verfahren sollen beschleunigt, Bürokratie abgebaut und möglichst keine neue aufgebaut werden. In Deutschland wie in der Europäischen Union. Dem dient das Bürokratieentlastungsgesetz, dessen Eckpunkte die Bundesregierung in Meseberg beschließen wird. Gemeinsam mit den europäischen Partnern, insbesondere mit der französischen Regierung, soll die Initiative für Bürokratieentlastung, bessere Rechtsetzung und moderne Verwaltung in Europa ergriffen werden. Einen neuen Weg beschreitet die Bundesregierung mit dem PraxisCheck. Dadurch soll möglichst konkret identifiziert werden, welche Regelungen in einem Bereich entfallen oder geändert werden müssen, damit Verwaltungsprozesse einfacher und transparenter werden und wichtige wirtschaftliche Investitionen leichter getätigt werden können.
- Sichere und bezahlbare Energie gewährleisten
Insbesondere um die Strompreise schnell zu senken, ist es zentral, die Stromproduktion – vor allem aus Sonne und Wind – zu beschleunigen und die nötigen Stromleitungen zu verlegen. Gleichzeitig gilt es, Wasserstoff zu beschaffen und die dafür benötigte Infrastruktur schnell aufzubauen. Die sichere Versorgung mit bezahlbarer Energie ist entscheidend für den deutschen Wirtschafts- und Industriestandort. Die Anstrengungen der vergangenen eineinhalb Jahre zeigen Erfolge: In den zurückliegenden Monaten konnten beispielsweise im Durchschnitt jeden Tag 30 Fußballfelder Photovoltaik-Anlagen für Sonnenenergie installiert werden. Die Ausbaugeschwindigkeit wurde in etwa verdoppelt. Es muss aber noch schneller werden: Um die Klimaziele 2030 zu erreichen, werden rund 43 Fußballfelder Photovoltaik pro Tag benötigt, dazu 4-5 Windräder Tag für Tag. Bei der Windenergie an Land wurden im ersten Halbjahr des Jahres fast 400 Windräder ans Netz genommen. Dies entspricht einer Erhöhung um 52 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr. Deutlich gestiegen ist auch die Zahl der Genehmigungen – sie lag im Juni bei mehr als sieben pro Tag. Bei der Windenergie auf See wurde mit den Ausschreibungen in diesem Jahr eine zusätzliche Erzeugungskapazität von über sieben Gigawatt versteigert. Dies entspricht fast der gesamten Erzeugungskapazität, die heute insgesamt in Nord- und Ostsee installiert ist.
Dennoch bleibt die sichere und bezahlbare Energieversorgung eine große Herausforderung. Die Bundesregierung hat deshalb weitere Beschleunigungen beim Ausbau von der Photovoltaik erarbeitet und wird dies auch für Windanlagen an Land tun. Zentral ist zudem der Ausbau der Netze. Die Umsetzung der Kraftwerkestrategie wird dafür sorgen, dass der Neubau flexibler Kraftwerksleistung – insbesondere mit Wasserstoff – gesichert erfolgen wird.
Eine wichtige Aufgabe der nächsten Monate und Jahre ist die Versorgung der Industrie mit Wasserstoff. Die Bundesregierung schreitet mit der Planung des Wasserstoff-Kernnetzes und dem Abschluss von Wasserstoffpartnerschaften voran und wird ein Wasserstoff-Beschleunigungsgesetz vorlegen. Die Bundesregierung arbeitet an einer konsistenten und belastbaren Strategie für die zukünftige Energieversorgung in Deutschland, auch für bezahlbare Strompreise, gerade auch für Wirtschaft und Industrie.
- Digitalisierung voranbringen
Um bei der Künstlichen Intelligenz (KI) vorne mitspielen zu können, müssen große Datensätze zur Verfügung stehen. Mit der neuen Datenstrategie wird die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für Datennutzung und Datenzugang sowie Investitionen in die Datenökonomie verbessern – auch gegenüber dem Datenschutz. Mit einem Forschungsdatengesetz soll der Zugang zu Daten für die Wissenschaft verbessert werden, damit Deutschland ein attraktiver Forschungsstandort bleibt. Anonymisierte und pseudonymisierte Gesundheitsdaten sollen leichter zur Verfügung stehen und genutzt werden können, damit Gesundheitsversorgung und medizinische Behandlung verbessert werden können. Mit einer neuen Pharma-Strategie werden die Rahmenbedingungen für die pharmazeutische Forschung und Industrie weiter verbessert, beispielsweise durch die Vereinfachung klinischer Prüfungen und eine Entbürokratisierung bei der Zulassung innovativer Arzneien und Behandlungen. Die Antragsprozesse im Genehmigungsrecht sollen verstärkt digitalisiert werden. So soll Deutschland zum führenden Standort für klinische Studien bei Medikamenten werden.
Um die Digitalisierung der Verwaltung zu beschleunigen, soll eine zügige und flächendeckende Digitalisierung derjenigen Verwaltungsverfahren erreicht werden, die besonders viele Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger betreffen. Dies gilt ebenso für Anlagengenehmigungen und andere Leistungen, die für die Modernisierung Deutschlands besonders wichtig sind.
- Fachkräfte für Deutschland gewinnen
Schon jetzt wird deutlich, dass überall in Deutschland Fach- und Arbeitskräfte fehlen. Diese Entwicklung wird sich verstärken, wenn in den nächsten Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen. Mit der Umsetzung der Fachkräftestrategie wurden die Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung deutlich verbessert. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz wurde darüber hinaus die Grundlage geschaffen, dass dringend benötigte Fach- und Arbeitskräfte aus dem Ausland nach Deutschland kommen können. Nunmehr geht es darum, die entsprechenden Verfahren zu entbürokratisieren, zu digitalisieren und zu beschleunigen. Zudem gilt es, die inländischen Potenziale im Lichte des Arbeitskräftebedarfs am Arbeitsmarkt zu heben.
- Zukunft fördern
Hervorragende Bildung, Forschung und Entwicklung machen den Wissenschaftsstandort Deutschland aus. Daher sollen Bildung und Forschung im Haushaltsjahr 2024 mit über 20 Milliarden Euro unterstützt werden. Mit der verbesserten Forschungsförderung im Wachstumschancen-Gesetz werden weitere Impulse für Forschung und Entwicklung in den Unternehmen gegeben. Die „Exzellenzinitiative Berufliche Bildung“ verleiht der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung und der beruflichen Neuorientierung neuen Schub. Mit der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation hat die Bundesregierung ihre Forschungs- und Innovationspolitik neu aufgestellt. Mit der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI) werden innovationsorientierte Kooperationen in der anwendungsorientierten Forschung gefördert. Die Mittel für die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) sollen erhöht werden, die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen mit dem SPRINDFreiheitsgesetz verbessert werden.
Der neue DeepTech & Climate Fonds ist gestartet – mit ihm wird der Technologie-Standort und die Wagniskapitalfinanzierung weiter ausgebaut. In den kommenden Jahren steht dafür bis zu eine Milliarde Euro zur Verfügung. Zugleich setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass in Deutschland die Industrien mit den Technologien von Morgen und zukunftssicheren Arbeitsplätzen ansiedeln. In Ostdeutschland entsteht ein neues Cluster von Mikroelektronik-Industrien, an zahlreichen Standorten Batteriefabriken. Die Dekarbonisierung der Stahlerzeugung wird gefördert, um sie in Deutschland zu halten. Innovative Hersteller von Photovoltaik-Anlagen sollen sich in Deutschland ansiedeln.
- Handelsagenda und Rohstoffversorgung
Deutschland positioniert sich als starke Kraft für mehr Kooperation und nachhaltigen globalen Handel: Grundlage ist die gemeinsame handelspolitische Agenda der Bundesregierung, in der sie sich klar gegen Protektionismus und für freien und fairen Welthandel ausspricht. Als Exportnation ist Deutschland auf gute und verlässliche Handelsbeziehungen und sichere Investitionsbedingungen angewiesen. Dem dienen Handels- und Investitionsschutzverträge. Das CETA-Abkommen mit Kanada wurde nach Jahren der Blockade vom Deutschen Bundestag ratifiziert. Die Verhandlungen mit Kenia sind abgeschlossen, das Abkommen mit Neuseeland ist fertig unterzeichnet, mit Chile soll das Abkommen Ende des Jahres unterzeichnet werden. Die Bundesregierung wird dies unterstützen. Auch im Bereich der Sicherung der Rohstoffversorgung forciert die Bundesregierung die internationale Zusammenarbeit.
Hier finden Sie die unredigierte Fassung der von Bundeskanzler Scholz, Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner gemeinsam herausgegebenen Presseinformation der Bundesregierung nach der Klausur von Meseberg.
Autor:
Volksbank Herford-Mindener Land – Bild © Nomad_Soul – adobe stock