Vor Corona kannten die meisten das Wort Video-Chat nicht, mittlerweile hat das Online-Conferencing mit Bild und Ton schon eine Krankheit: Zoom-Fatigue hat die New York Times das Gefühl von Erschöpfung nach virtuellen Konferenzen genannt.
Professor Jeremy Bailsenson, Kommunikationsexperte und Gründer des Virtual Human Interaction Labs an der Stanford-Universität (USA), fand für die unendliche Müdigkeit einen ebenso simplen wie unterhaltsamen Grund: „Wenn Ihnen jemand sehr nah ist und direkt anstarrt, bedeutet das aus dem Blickwinkel der Evolution, er will sich mit ihnen streiten – oder paaren.“ Schließt man aufgrund der Virtualität die Vorfreude einmal aus, bleibt zumindest der gefühlte Stress einer drohenden Auseinandersetzung.
Stress kommt auf, weil Signale fehlen
Mehr Gründe für die Erschöpfung mehr Gründe für die Erschöpfung: Stress kommt auf, weil nonverbale Hinweise fehlen, z. B. Handgesten oder andere Körpersprachen, die das Gehirn sucht, aber nicht finden kann, auch weil ebensolche Signale von nicht aktiven Teilnehmern fehlen, die vom Gehirn normalerweise mit peripherer Sicht erfasst werden. Hinzu kommt, dass auf eigene nonverbale Signale wie Stirnrunzeln oder das Heben der Augenbrauen die erwartete Reaktion ausbleibt. Nicht zuletzt verlangt ein typischer Videoanruf eine anhaltende und intensive Aufmerksamkeit für Wörter.
Zu viele Reize auf einmal
Das Abbild gleich mehrerer Personen in einer Videokonferenz erfordert das gleichzeitige Entschlüsseln vieler Menschen, was das Gehirn überfordern kann. Experten nennen es eine „kontinuierliche teilweise Aufmerksamkeit“, bei der das Gehirn von ungewohnten überschüssigen Reizen überwältigt wird, während es gleichzeitig vergeblich nach nonverbalen Hinweisen sucht. Hinzu kommt letztlich, dass man sich bei schlechter technischer Ausstattung auf minderwertige Bilder und einen schwachen Ton konzentrieren muss.
Kommunikation ohne Zoom
So erklärt sich, warum man nach einer Videokonferenz bereits müde und nach dreien in Folge abgrundtief erschöpft ist. Aber was kann man dagegen tun? Arbeitsmediziner empfehlen mindestens fünf Minuten Pause pro Stunde vor dem Bildschirm. Sicher muss auch nicht jedes Meeting als Videocall stattfinden, vielleicht sollte man stattdessen besser mal zum Telefon greifen. Damit kann man dann auch umherlaufen.
Auge in Auge oft entspannter
Letztlich bleibt die Chance, das eine oder andere Meeting zu schwänzen respektive gar nicht erst anzusetzen. Denn viele Treffen – ob real oder virtuell – sind überflüssig, viele Fragen können auch zwischen den Experten geklärt und mittels Ergebnisprotokoll an einen erweiterten Kreis kommuniziert werden. Auch gibt es das persönliche Treffen immer noch. Ging selbst in Zeiten von Corona, mit reichlich Abstand, mit Maske oder beim gemeinsamen Spaziergang in der freien Natur.
Autor:
Volksbank Herford-Mindener Land – Bild © Girts – adobe stock