In nicht einmal drei Jahrzehnten hat sich digitale Werbung mit einem Umsatz von rund 460 Mrd. Dollar zum weltweit wichtigsten Werbekanal entwickelt. Kollege Klaus Janke hat von Branchenmagazin HORIZONT hat uns angeregt, noch einmal tiefer in der jüngeren Digitalgeschichte zu graben. Gefunden haben wir viele imposante Meilensteine einer Erfolgsgeschichte, die noch lange nicht am Ende ist.
In den Kindertagen des Internets war Werbung strikt verboten. 1993 wagte ein Rechtsanwalt aus dem Silicon Valley die erste anklickbare Anzeige. In 1994 fordert die erste Banner-Anzeige von AT&T auf der Website diese Leser des ersten kommerziellen Internet-Magazins HotWired zum Klicken auf. Und 44 Prozent aller Besucher taten es – heute liegt die durchschnittliche Klick-Rate für Display-Werbung unter 0,1 Prozent.
Karriere der Keywords
1998 – zwei Jahre vor den Google AdWords – wird zum ersten Mal von GoTo.com ein Keyword versteigert, bei dessen Eingabe in die Suchmaschine eine bestimmte Werbung angezeigt wird. 1999 lassen die Whisky-Brenner von Johnnie Walker das Moorhuhn frei. Marke sorgt für digitale Unterhaltung, die dank kostenlosem Download bald für Millionen zum wichtigsten Zeitvertreib wird. Chefs klagen über pausenlos daddelnde Angestellte. Die Jahrtausendwende: Google bringt zwei Jahre nach seiner Gründung in 1998 sein Werbesystem AdWords an den Start. Werbungtreibende können Anzeigen passend zu den Suchanfragen schalten – Search Engine Advertising (SEA) ist geboren. Google stellt seinen Wettbewerber Yahoo (der 2002 noch 3 Mrd. für Google bot) schnell in den Schatten und ist bald – und bis heute – größter Werbevermarkter im Netz.
Start für Content Marketing
2001 schreiben die Münchner Autobauer von BMW digitale Geschichte: Sie präsentieren mit „The Hire“ acht Kurzfilme, fast ausschließlich im Netz. Star-Regisseure mischen mit, vor der Kamera stehen Weltstars wie Madonna oder Mickey Rourke. BMW zeigt in Deutschland als erster, was mit Bewegtbild im Content Marketing geht.
20 Jahre Social Media
2002 entsteht in Kalifornien das Business-Netzwerk LinkedIn. 2016 wird es von Microsoft aufgekauft. Heute zählt LinkedIn 600 Mio. Anwender in 193 Ländern weltweit. 2003 startete in Hamburg OpenBC, seit 2007 besser als Xing bekannt. Die deutschsprachige Plattform für Geschäftsnetzwerke zählt heute 19 Mio. Nutzer in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Drei Jahre später, 2004 gründet Mark Zuckerberg Facebook, der Durchbruch für Social-Media. Zwei Jahre später spricht man schon vom Web 2.0, in dem die Nutzer die Inhalte liefern. Heute spricht man von User Generated Content.
Youtube wird zum Alternativ-TV
2005 geht Youtube online. Das Internet entwickelt sich zum Alternativ-TV. Das Videoportal, das bereits ein Jahr später von Google übernommen wird, punktet zunächst mit Katzenvideos. Mit mehr Professionalität kommen auch die Werbungtreibenden. Seit 2006 gibt es die VideoAds. Heute ist Youtube der wachstumsstärkste Kanal des Alphabet-Konzerns, der Quartalsumsatz lag zuletzt bei 7,2 Milliarden US-Dollar. Lineares Fernsehen (einem Programm folgend) wird in den 20er Jahren zum Auslaufmodell.
Obama bei Twitter folgen
Im März 2006 wird in San Francisco Twitter gegründet. Der Mikrobloggingdienst verbreitet sich in Teilen schneller als Facebook, allein in 2010 registrierte man 100 Mio. neue Nutzer. Beliebtester Zwitscherer ist mit 130 Mio. Followern weltweit bis heute Amerikas Ex-Präsident Barack Obama, der den Kurznachrichtendienst seit 2008 intensiv nutzt. In Deutschland führt Fußballer Mesut Özil mit gut 26 Mio. Verfolgern die aktuelle Hitliste an.
Gamechanger Smartphone
2007 bietet Facebook Werbetreibenden ein gezieltes Targeting ihrer Anzeigen an. Und präsentiert Apple das erste iPhone. Das Smartphone wird zum Gamechanger im mobilen Marketing. Apps werden zum wichtigen Werbeträger, erreichen vor allem junge Zielgruppen. 2010 folgt das iPad. 2012 verstärkt sich Facebook mit dem zwei Jahre zuvor gegründeten Wettbewerber Instagram. In den Social Media-Kanälen trennen sich nachfolgend die Zielgruppen. Seit 2013 lässt Amazon gesponserte Anzeigen in den Ergebnislisten zu. Heute gilt allein der deutsche Retail-Media-Markt bereits als 2 Milliarden Euro schwer.
Werbung findet seinen Weg
Im Jahr 2014 ist die Datengewinnung (neudeutsch Data Mining) so weit vorangeschritten, dass selbst mittlerweile jeder internetfähige Fernseher weiß, wer davorsitzt. Entsprechend kann die Werbung angepasst werden. Sogenanntes Addressable TV soll langfristig bis zu 50 Prozent aller TV-Werbeausgaben in Europa verbuchen können. Ach ja, und Facebook übernimmt den Messengerdienst WhatsApp.
Fake News und Hate Speech
In 2015 mutiert Google zur Alphabet Inc. 2016 befördert der neue US-Präsident Donald Trump eine Kultur der gezielten Desinformation in den sozialen Medien. Fake News und Hate Speech bringen die Plattformen in die Bredouille. Der Protest gegen Facebook gipfelt 2020 im Werbeboykott #StopHateForProfit, Trumps Ergüsse auf Twitter werden mit einem Warnhinweis versehen.
Renaissance der Podcasts
Im Jahr 2018 sind die Podcasts auf einmal wieder da. Die gab es schon in den Kindertagen des Internets. Zum Boom tragen Spotify und Apple bei, viele andere springen auf den Zug auf. Im Jahr darauf fühlen sich Facebook und Instagram erstmal wie Oldtimer: Snapchat und TikTok mischen den Social Media-Markt mit Kurzvideos für das ganz junge Publikum auf.
Datenschutz-Bremse
2020 und 2021 kommt die große Ernüchterung: Technisch geht unendlich vieles, um die Offerten der Firmen an die Kunden zu bringen. Doch Datenschützer weltweit sorgen seit 2018 dafür, dass immer weniger Daten erhoben werden dürfen. Nicht alles, was technisch geht, ist ethisch erwünscht. Seitdem wird händeringend nach Alternativen für die personalisierte Werbung gesucht. Bislang ohne nennenswerte Ergebnisse. 2021 wird aus Facebook Meta, man folgt damit dem Google-Vorbild, Marke und Börsenruf stärker zu trennen.
Analoge Medien leiden
So rasant wie sich die Online-Werbung entwickelt, desto stärker leiden die klassischen Werbeformate. Bis 2020 hat es gebraucht, bis deutsche Zeitungs- und Zeitschriftenverlage es gewagt haben, Weiterlesen gegen Werbung oder Abo anzubieten. Ob das das Ende der Printmedien verhindert, bleibt abzuwarten. Bis 2025 soll das Online-Werbevolumen weltweit auf knapp 633 Mrd. Dollar ansteigen – in drei Jahren um noch einmal knapp 50 Prozent!
Es bleibt spannend
Die Entwicklung der Online-Werbung bleibt spannend. Für alle, die als Marketingler und Werber mitmischen wollen, besteht die Aufgabe darin, Innovationen frühzeitig zu erfassen und zu bewerten. Oft wird es sinnvoll bleiben, nicht als erster auf einen Zug zu springen – denn der eine oder andere fährt mangels Akzeptanz durch die Nutzer nach Nirgendwo.
Autor:
Volksbank Herford-Mindener Land – Bild © Mrinal – adobe stock