Die Stimmung in der ostwestfälischen Wirtschaft hat sich im Vergleich zum Vorjahr leicht verschlechtert. Die größten Problemfelder sehen die Unternehmen derzeit in der zunehmenden Bürokratie, den allgemeinen Kostensteigerungen und dem Fachkräftemangel. Der Blick in die Zukunft ist dennoch verhalten optimistisch. Das sind die Ergebnisse der diesjährigen Frühjahrsbefragung, die die Volksbank Herford-Mindener Land wieder unter Unternehmen im Kreis Herford und dem Altkreis Minden durchgeführt hat. Die Resultate wurden nun in Herford vor Unternehmern und Vertretern aus Politik, Verwaltung und Wirtschaftsverbänden präsentiert und diskutiert.
Der gleichzeitig veröffentlichte „Lagebericht Mittelstand“ der Volksbank wirft einen detaillierten Blick auf die Stimmung und die Aussichten in der heimischen Wirtschaft – aufgeteilt auf die Branchen Verarbeitendes Gewerbe, Bau- und Ausbaugewerbe, Handel und Dienstleitungsgewerbe. „Die Ergebnisse sind spannend und zugleich herausfordernd“, erklärte Volksbank-Vorstandssprecher Andreas Kämmerling in seiner Begrüßung und erinnerte die anwesenden Gäste daran, dass Anpassungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft gerade in schwierigen Zeiten von allen Betrieben gefordert seien.
Martina Hannen, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Wittekindsland, erläuterte in ihrem Wortbeitrag, dass das Handwerk als größter Ausbilder schon immer der Rettungsanker der heimischen Wirtschaft gewesen sei. Entgegen allen negativen Prognosen müsse man den Pessimismus, die sogenannte „German Angst“, überwinden. Gerade die Wirtschaft in OWL besteche durch Kraft und Mut, die Dinge zu drehen. Doch: „Ohne Handwerk geht es nicht“, so Hannen.
Der Vorsitzende des IHK-Handelsausschusses, Rainer Döring, erklärte, dass insbesondere alle Handelssparten, die mit dem Eigenheimbau zu tun haben – von Möbeln über Baumärkte bis hin zu zum Bereich Hauselektronik – unter den zuletzt gestiegenen Bauzinsen und der Inflation gelitten hätten. Das zeigt auch der Stimmungsindex aus der aktuellen Volksbank-Befragung, der insbesondere im Bau- und Ausbaugewerbe besonders niedrig ist. Die detaillierten Ergebnisse der Befragung erläuterte Jörg Kemminer, Bereichsleiter Firmenkundenberatung bei der Volksbank Herford-Mindener Land, im Rahmen einer umfassenden Präsentation.
Die über alle Branchen hinweg schwache Konjunktur macht sich derzeit auch am Arbeitsmarkt bemerkbar. Das berichtete Frauke Schwietert, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Herford. Neben einem Anstieg der Kurzarbeit-Meldungen sei zuletzt auch eine leichte Eintrübung bei den Beschäftigtenzahlen zu erkennen. Allerdings seien im Einzugsgebiet ihrer Agentur noch immer rund 8.000 Menschen mehr in Arbeit als noch vor einem Jahr. Aus Schwieterts Sicht gibt es für die Wirtschaft in unserer Region vor allem drei große Herausforderungen: Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demografie. Letzterer sei teilweise mit Investitionen in Aus- und Weiterbildung beizukommen. Hier seien die Unternehmen gefordert. Aktuell gebe es 13 Prozent weniger Ausbildungsstellen als noch im Vorjahr. „Wir brauchen jede Fachkraft“, erklärte Schwietert und verband diese Aussage auch mit einer Forderung an die Politik, den Arbeitsmarkt noch weiter für Flüchtlinge und eine gesteuerte Arbeitsmigration zu öffnen.
Herfords Bürgermeister Tim Kähler wiederum hielt einen flammenden Appell für einen Bürokratieabbau „von oben nach unten“. Klar geklärte Zuständigkeiten und „Mut zur Lücke“ durch weniger Gesetze lauten seine Hausaufgaben an Bund und Länder. Und: „Gebt einem Gesetz die Zeit, zu wirken, bevor ihr schon wieder eine Reform macht“, so das Herforder Stadtoberhaupt. Vielleicht werde sich aber auch einiges von selber erledigen. Seine These: „Der demografische Wandel wird zu einem erheblichen Bürokratieabbau führen, weil wir das Personal dafür gar nicht mehr haben werden.“
Der Personalmangel ist neben der Bürokratie auch eins der dringendsten Probleme der Logistikbranche, wie Gastreferent Carsten Taucke, CEO der Nagel Group mit Sitz in Versmold zu berichten wusste. Sein Unternehmen mit über 11.000 Mitarbeitern an 130 Standorten hat sich auf die Lagerung und den Transport von Lebensmitteln spezialisiert. Täglich fahren 7.000 LKW der Nagel Group quer durch ganz Europa fährt. Hierfür werden dringend weitere Fachkräfte insbesondere im Bereich Lagerlogistik benötigt. Schon heute fehlen in Deutschland Taucke zufolge außerdem rund 60.000 bis 80.000 Berufskraftfahrer. Investitionen in Digitalisierung, Prozessoptimierung und künstliche Intelligenz seien hier unerlässlich. Das Leben schwer mache auch Unternehmen von der Größe der Nagel Group das Thema Bürokratie. Allein die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung stiegen stetig. 160 Kriterien müssten schon jetzt jährlich reportiert werden. „Für kleinere Unternehmen ist das fast tödlich“, so Taucke, der wiederum keinen grundsätzlichen Zweifel an der Wichtigkeit von Nachhaltigkeitszielen hat.
Trotz aller Probleme sehen die von der Volksbank befragten Unternehmen verhalten optimistisch in die nahe Zukunft. Ein weiteres Nachlassen der Inflation und erste Anzeichen für sinkende Zinsen lassen auf eine sanfte Erholung der Konjunktur hoffen. „Wir bleiben zuversichtlich. Wir haben eine starke ostwestfälische Wirtschaft. Und wir werden Sie auch weiter eng bei Ihren Vorhaben unterstützen“, versprach Jörg Kemminer abschließend gegenüber den anwesenden Wirtschaftsvertretern.
Weitere Infos und die detaillierten Befragungsergebnisse im „Lagebericht Mittelstand“ finden Sie hier: Lagebericht_Mittelstand_2024 (PDF zum Download).
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Volksbank Herford-Mindener Land – Bild © Volksbank Herford-Mindener Land