Vereinesterben schwächt vor allem ländliche Strukturen

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In den 50er, 60er und 70er Jahren war es fast Pflicht, Mitglied einer Gewerkschaft, in einem Sport- oder Freizeitverein oder in einer Hilfsorganisation zu sein. Und viele waren zugleich aktiv in mehreren Organisationen. Seit Beginn des neuen Jahrtausends grassiert in Deutschland das große Vereinesterben; zwischen 2006 und 2026 ist ihre Zahl um fast 16.000 zurückgegangen. Aber nicht überall in gleichem Maße: Besonders betroffen waren und sind ländliche Regionen, während in den Städten heute noch regelmäßig neue Vereine ins Leben gerufen werden.

Die Gründe des Vereinesterbens

Viele Mitglieder sind mit ihrem Verein gealtert: Durch den natürlichen Lauf der Dinge sterben aktive und langjährige Mitglieder oder treten altersbedingt aus. Erfahrung geht verloren, Positionen schlecht nachzubesetzen, Beitragszahler fallen weg. Einigen Organisationen ist es sicher auch schwergefallen mit der Zeit zu gehen. Es wurde so lange am Zweck festgehalten, bis keiner mehr kam. Landwirtschaftliche Ortsvereine, Landfrauen und Landjugend schrumpften mit der Anzahl der Höfe; Rassegeflügel- und Kaninchenzüchter wurden ebenso wie die Kleingärtner weniger, weil die Selbstversorgung aus der Mode kam.

Langeweile ausgestorben

Den mit Abstand stärksten Einfluss dürfte eine Veränderung in den Köpfen mit sich gebracht haben: Immer mehr Menschen wollen ihre Freizeit individuell und vor allem selbstbestimmt gestalten. Pflichten wurden so zur Last: Deshalb boomten die Sportstudios während viele Sportvereine ausbluteten. Hinzu kam, dass durch Smartphone, Laptop, hunderte TV-Kanälen und Streamingdienste heute weit mehr Unterhaltungsalternativen verfügbar als nötig sind.

Starkes Stadt-Land-Gefälle

Die Auflösung von Vereinen ist ein vorwiegend ländliches, deren Neugründung ein städtisches Phänomen. Bestehende Vereine in ländlichen Regionen kämpfen besonders häufig damit, neue Engagierte zu gewinnen. Was sicher auch daran liegt, dass junge Menschen oft zugunsten der Karriere zumindest für mehrere Jahre in die Städte flüchten. Während sich in den urbanen Räumen die Gleichgesinnten in immer neuen Gruppen zu immer differenzierteren Freizeitbeschäftigungen treffen, wird es auf dem Land immer stiller, denn viel zum Feiern gibt es nicht mehr.

Lebensqualität rückläufig

In Vereinen geht es um mehr als Geselligkeit. Vereine in ländlichen Räumen organisieren Zusammenhalt. Gemeinsinn und Teilhabe entwickeln sich nicht von selbst, sondern sind auf ein bürgerschaftliches Engagement vor Ort angewiesen. Das Ausdünnen der Vereinsstrukturen schwächt Lebensqualität und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Aber auch die Sicherheit, wie sich an den notleidenden Freiwilligen Feuerwehren zeigt.

Wichtigkeit nimmt zu

Vereine werden dann besonders wichtig, wenn Kommune und Staat Leistungen der Daseinsvorsorge nicht mehr erbringen können. Bürgerbäder und -bibliotheken, Bürgerbusse und genossenschaftlich getragene Dorfläden gibt es vielerorts. Zumeist ältere Bürgerinnen und Bürger springen dort ein, wo öffentliche Träger sich zurückziehen. Aber auch das wird durch den demografischen Wandel eingebremst: Immer weniger junge Menschen können kaum am Laufen halten, was ihre Mütter und Väter aufgebaut haben.

Auf das Wesentliche beschränken

Kleiner werdenden Vereinen bleibt nur der Zusammenschluss mit anderen Gleichgesinnten, was in der Regel weitere Wege fordert. Neue Ideen, Zwecke und Sinn entstehen aus Alltagsnöten wie die Dorfläden oder Nachbarschaftshilfen. Letztlich wird auch das wachsende Vakuum seine Wirkung entfalten: Das erste Dorffest seit vielen Jahren wird die verbliebenen Bewohner magisch anziehen und neues Gemeinschaftsgefühl erzeugen. Dann braucht es nur noch Ideen, wie man das zarte Pflänzchen zum Blühen bringt. So werden wie es einst war, kann es aber nicht wieder werden.

 


Autor:
Volksbank Herford-Mindener Land – Bild © Syda Productions – adobe stock