Wann ist man arm? Wann reich? Wo steh ich mit meinem Einkommen?

Wohlstand

Viele Deutsche wissen nicht, wo sie sich mit ihrem Einkommen in der Gesellschaft einordnen sollen. Antwort auf diese Frage gibt ein Online-Rechner, den die Redaktion von Zeit online auf Basis der Forschungsergebnisse Bremer Soziologen entwickelt hat. Die Fragestellung ist komplex, das Ergebnis überrascht viele, die eigene Daten eingen.

Wohlstand ist messbar

Um Wohlstand oder Armut sauber differenzieren zu können, hat ein Team um den Bremer Soziologen Olaf Groh-Samberg für das Bundesarbeitsministerium mehrere Kriterien untersucht: Einkommen, Vermögen, Wohnsituation oder die Integration in den Arbeitsmarkt. Ihre Hypothese: Nicht ein Faktor allein entscheidet über die soziale Position in einer Gesellschaft – sondern alle miteinander. Anschließend haben die Wissenschaftler die Bevölkerung in sechs Gruppen unterteilt: Armut, Prekarität (von Armut Bedrohte), untere Mitte, Mitte, Wohlstand und Wohlhabenheit. Die Untersuchung stützt sich auf eine der umfangreichsten Langzeitbefragungen in Deutschland, das Sozio-ökonomische Panel (SOEP). Rund 16.000 Privathaushalte werden seit Mitte der Achtzigerjahre detailliert befragt.

Zufrieden sind 2/3 der Reichen und 1/3 der Armen

Wer arm ist, schneidet 2020 in vielen Dimensionen schlechter ab. Nur 45 Prozent gaben an, sie seien mit ihrer Gesundheit zufrieden, unter den Wohlhabenden sind es rund 65 Prozent.. Kaum jemand in der Lage der Armut besitzt Wohneigentum. Arme sind seltener politisch interessiert. Nur 16 Prozent gaben an, regelmäßig Kulturveranstaltungen zu besuchen. In der Lage der Wohlhabenden sieht das anders aus: Es gibt mehr Freunde, mehr Sozialkontakte, man interessiert sich stärker für Politik, genießt öfter Kultur und treibt regelmäßiger Sport. Wohlhabende sind besser gebildet, besitzen häufiger Immobilien und verdienen im Schnitt mehr als fünfmal so viel. Zwei von drei Wohlhabenden geben an, mit ihrem Leben sehr zufrieden zu sein. In der Lage Armut sagen das eben 38 Prozent.

Mittelschicht schrumpft weiter

Gehörten in den Achtzigerjahren noch acht Prozent der Bevölkerung zu den Armen, sind es laut den Daten der Bremer heute rund 12 Prozent. Der Anteil der Menschen in der Lage der Wohlhabenheit stieg von sechs auf elf Prozent. „Der Wohlstand hat sich deutlich polarisiert“, sagt der Soziologe Groh-Samberg. „Dies geht vor allem zulasten der Mitte, die immer kleiner geworden ist.“

Hier geht es zum Wohlstands-Rechner der ZEIT mit animierten Grafiken:

https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-02/soziale-ungleichheit-armut-reichtum-schichten-rechner-studie-deutschland

Hier finden Sie die Dokumentation der Bremer Soziologen zum Nachlesen:

https://www.socium.uni-bremen.de/uploads/Dokumentation_Multidimensionale_Lagen.pdf

Am Rande: Wohlstand erscheint relativ

 Interessant ist folgende Erkenntnis, die jüngst Hannoveraner Forscher belegten: Reich sind immer nur die anderen. Die obersten 20 Prozent jedenfalls waren sich ihrer Position an der Spitze fast ausnahmslos nicht bewusst. Auch die Ärmsten verorten sich sehr häufig in der Mitte der Gesellschaft statt an ihrer tatsächlichen Position ganz unten. Auch arm sind also fast immer nur die anderen. Diese Fehleinschätzungen basieren auf einem simplen Effekt: Jeder vergleicht sich mit seinem Lebensumfeld. Eine Anwältin aus dem besten Stadtviertel trifft in der Kanzlei, beim Bäcker oder Elternabend meist Menschen, die ähnlich gut situiert sind. Gleiches gilt für den ungelernten Hilfsarbeiter in der Hochhausiedlung, dessen Lebensstandard seinen Freunden und Bekannten ähnelt.

 


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Unternehmen OWL – Bild © tony98 – adobe stock