Unternehmen kämpfen mit harten Bandagen um Personal – und überschreiten dabei oft rechtliche Grenzen. Was erlaubt ist und was nicht beleuchtet ein Streifzug durch eine juristische Grauzone.
In Berlin und Brandenburg geht seit einigen Monaten die Angst um: Inhaber von Kfz-Werkstätten, Ingenieurbüros und vielen anderen Betrieben fürchten um ihre Top-Leute. Denn der Elektroautobauer Tesla wirbt aggressiv um Fachkräfte für die neue Gigafactory in Grünheide bei Berlin. Handelsgigant Lidl warb 2020 per Video gezielt um Servicekräfte aus der Gastronomie, erntete für den Slogan „Bar war gestern“ aber einen Shitstorm. Wenig später stoppte Lidl die Kampagne.
Mittelstand gibt auch Gas
Die beiden Fälle zeigen: Gerade große Unternehmen, die bisher gut durch die Corona-Pandemie gekommen sind, ziehen im Kampf um Fachkräfte sämtliche Register. Doch auch unter Mittelständlern wird weiter kräftig um Talente, Fach- und Führungskräfte gerungen. Und dabei entsteht schnell eine gefährliche Dynamik. Wenn Führungskräfte wechseln, versuchen sie danach häufig, frühere Mitarbeiter abzuwerben, wissen Experten. Auf einen schmerzhaften Abgang folgt deshalb schlimmstenfalls ein bedrohlicher Personaladerlass, der Unternehmen schweren Schaden zufügt.
Diese Methoden sind verwerflich
Die Grenzen des Rechts sind spätestens dann überschritten, wenn man einem Wettbewerber so viele Leute nimmt, so dass dieser schließen muss. Juristisch ist das allerdings schwer nachweisbar. Vor Gericht klingt es dann eher wie in Goethes Ballade vom Fischer, „Halb zog sie ihn, halb sank er hin“. Der erste habe den anderen vorgeschwärmt, die hätten sich dann von sich aus beworben. Auch wird verteidigt, dass man nicht den Wettbewerber schwächen, sondern sich selbst stärken wollte. Was Wahrheit und was Schutzbehauptung ist, können die Gerichte nur selten aufklären.
Diese Methoden sind verboten
Einfacher ist der Nachweis einer „verwerflichen“ Abwerbemethode. Das können zum Beispiel Headhunter-Anrufe während der Arbeitszeit sein. Die Art der Kontaktaufnahme ist zwar erlaubt, das Gespräch darf aber nicht über die Frage nach grundsätzlichem Interesse an einem Jobwechsel und – bei positiver Antwort – eine kurze Beschreibung der offenen Stelle hinausgehen. Das Prinzip „nachhaken und Informationen sammeln“ gilt auch für andere Abwerbeversuche, zum Beispiel über Online-Netzwerke. Den aktuellen Arbeitgeber zu diskreditieren ist ebenso unzulässig wie Wechselprämien zu versprechen oder Angestellte zur fristlosen Kündigung zu überreden.
Können sich Betroffene wehren?
Grundsätzlich ja. Nur meistens macht es keinen Sinn. Denn zum einen ist der Nachweis verwerflichen Vorgehens schwierig, zum anderen dauern solche Verfahren viel zu lange. Die Juristen sollte man deshalb erst dann in Gang setzen, wenn ganze Abteilungen abzuspringen drohen. Probates Mittel sind dann eine Abmahnung und die Androhung von Schadenersatzforderungen gegen den Wettbewerber.
Vorbeugung besser
Wer sich in Gefahr sieht, sollte besser vorbeugen, bevor die Mitarbeiter davonstürmen. Gespräche sind wichtig, Wertschätzung, neue Karriereperspektiven und die Ankündigung von Gehaltserhöhungen können Abwerbeversuche ins Leere laufen lassen. Ein gutes Arbeitsklima ist die beste Prävention. Aber auch die Juristen können flankieren: Längere Kündigungsfristen, Wettbewerbsverbote und Geheimhaltungsvereinbarungen dämpften schon manche Lust auf einen neuen Arbeitgeber.
Autor:
Volksbank Herford-Mindener Land – Bild © Андрей Яланский – adobe stock